ZwischenZeilen

Für Autor:innen, Leser:innen und alle die Bücher lieben

Show don´t tell

Es gibt einfach Schreibtechniken, die für erfolgreiche Autor:innen unverzichtbar sind. Du weißt vielleicht schon, dass man bei zeitlich längeren Aktionen längere Sätze benutzt, während man bei kurzen Szenen – wie beispielsweise einer Kampfszene – eher knappe, einfache Sätze verwendet. Aber kennst du schon die Regel „Show don´t tell“? Wir erklären dir, was es damit auf sich hat.

Zeigen statt Beschreiben

„Show don´t tell“ heißt, einfach übersetzt, „Zeigen, nicht erzählen“. Ziel ist es, die Leserschaft mit ins Geschehen zu ziehen. Ereignisse, Gefühle und Dinge sollen konkret mit Worten gezeigt werden. Nur so bekommen Leser:innen den Eindruck, dass sich alles direkt vor ihren Augen abspielt. Das, was eigentlich geschieht, oder der aktuelle Ort werden bestenfalls gar nicht erst genannt. Stattdessen zeigt der/die Autor:in, was in der Umgebung passiert. Dadurch werden die Gedanken des Lesenden angeregt und Spannung erzeugt.

Beispiel: Tante Emma ist eine neugierige Frau.

Das ist „Tell“. Wir wollen aber zeigen, dass Emma neugierig ist, und das geht so:

Schon von weitem sehe ich, wie Tante Emma über den Gartenzaun linst. Was sie da wohl wieder im Nachbarsgarten entdeckt hat? Sie reckt den Kopf noch ein bisschen höher und gießt nebenbei ganz beiläufig ihre Blumen. Als ich sie von hinten antippe, zuckt sie ertappt zusammen und dreht sich in einem schnellen Schwung zu mir um. „Kind, du wirst es nicht glauben, aber der Herr Meier hat wieder eine neue Frau!“

Wie setze ich „Show don´t tell“ jetzt am besten um?

  • Durch szenisches Schreiben
  • Durch Beschreibung der Handlungen einer Figur
  • Durch Wiedergabe von Dialog
  • Durch den Einsatz aller fünf Sinne
  • Durch wenige, nicht ersetzbare Adjektive und Adverbien, dafür konkrete Verben und Nomen
  • Keine Wertung durch Verben wie „schön“ etc.

Kleine Schreibübung für dich: Geh an einen Ort (Baustelle, Café, UBahn, Friedhof, …)  und beschreibe was du mit allen deinen Sinnen aufnimmst. Nenne dabei aber auf keinen Fall den Schauplatz!! Deine Familie oder Freunde sollen erraten, wo du dich befindest.

Wenn es dir gelingt, im Text darzustellen, dass eine Figur erleichtert, glücklich, traurig, wütend, verliebt und vieles mehr ist, statt einfach nur zu schreiben: „Sie ist glücklich“, überzeugt das deine Leser:innen und sie fiebern mit. Die Rolle des Erzählens wird in den Hintergrund gedrängt und ein Kopfkino erzeugt.

Sogar noch besser als Kino?

Mit der szenischen Darstellung ermöglichst du eine starke Identifikation mit deinen Buchcharakteren. Durch die Verwendung von viel wörtlicher Rede und dem Beschreiben der Handlung fühlt man sich live ins Geschehen hineinversetzt.

Während man bei einem Film nur audiovisuell dabei ist, kann man beim Lesen eines Buches auch Gerüche, Gedankengänge und Emotionen eines Charakters nachempfinden. Man weiß, welche Assoziationen in ihren Köpfen entstehen, und kann dadurch körperliche Reaktionen nachvollziehen. Man baut deshalb eine ganz andere Bindung zu den Protagonist:innen auf. Aber nur, wenn „Show don´t tell“ erfolgreich eingesetzt worden ist! Nicht umsonst hört man so oft: Das Buch war viel besser als der Film!

Wir geben dir ein paar Praxistipps, um möglichst szenische Kapitel zu schreiben.

5 Tipps

1. Schaffe ein Gefühl für die Umgebung

Bsp.: Der Geruch von vermodertem Holz stieg mir in die Nase. In der Dunkelheit konnte ich gerade so die schmale Treppe nach unten gehen. Ich mochte solche Kellertreppen noch nie. Mein Großvater war eine hinuntergestürzt, als ich sieben Jahre alt war. Auch jetzt erinnerte ich mich an das dumpfe Geräusch seines Aufpralls. Ich brauchte einen Moment, um mich zu fassen, und hielt mich kurz an dem etwas feuchten Geländer fest.

2. Zeige den Charakter deiner Buchfiguren durch Dialog

Die Sprache einer Figur kann sehr viel über sie verraten. Durch die Ausdrucksweise kann der Charakter, die Herkunft oder die Einstellung deutlich gemacht werden. Spricht die Person mit Akzent, hat sie einen Dialekt oder einen starken Slang? Verwendet sie viele Fachbegriffe und komplizierte Sätze? Spricht sie leise, laut, abwertend oder schleimend? Durch die wörtliche Rede kreierst du für deine Leser:innen ein Bild, das du dann gar nicht mehr mit ergänzenden Bemerkungen erklären musst.

3. Lieber Handlung statt Schauplatz

Zu viel detailliertes Beschreiben kann auch nervig werden. Stell dir vor, du müsstest jedes Mal den Schauplatz genau aufschlüsseln, wenn deine Buchfigur einen neuen Raum betritt. Das würde die Kapitel unnötig in die Länge ziehen. Deswegen beziehe einfach deine Handlung in die Umgebung mit ein. Es ist wichtig, den Fortgang der Geschichte am Laufen zu halten.

Nehmen wir an, du schreibst eine Szene, in der deine Figur durch ein Einkaufszentrum schlendert. Anstatt die vielen Leute, die Läden und die architektonische Beschaffung des Gebäudes zu beschreiben, kannst du eine Handlung heraufbeschwören:

Der langersehnte Urlaub hatte begonnen. Während ich gemütlich ein Erdbeereis schleckte, verfolgte ich die schnellen Schritte der Leute um mich herum. Wie so oft fragte ich mich, warum man es sich antat, nach Feierabend noch durch so viele Läden zu rennen. Auf der Rolltreppe nach unten fiel mir ein, dass ich noch ein Geburtstagsgeschenk für meine Schwester hätte besorgen können.

4. Überfordere deine Leser:innen nicht mit zu vielen Details

Wäge ab, ob manche Details wirklich wichtig und interessant für die Story sind. Es kann nämlich auch schnell zu viel werden. Eine übermäßig ausgeschmückte Sprache kann genauso schlecht sein wie eine „zu erzählende“ Sprache. Konzentriere dich lieber auf starke und für die Geschichte relevante Details. Wie so oft macht es die richtige Mischung! 😉

Bsp.: Der atemberaubende Duft von frischen Rosen führte mich fast in eine vollständige Extase. Ich schloss die Augen, um jede einzelne Duftnote in mich aufzunehmen. Blumig süß, aromatisch. Eine Sirene heulte, und ich schlug die Augen wieder auf. Erst jetzt nahm ich diese riesige Rosenhalle wirklich wahr. Die Decken waren so hoch wie in einem Palast, und auch sonst wirkte alles prunkvoll und edel durch das viele Glas und die sich windenden Blumenranken. Beete gingen fließend ineinander über, sodass ich wahrhaftig in einem Blumenmeer stand.

5. Streiche Erklärungen

Oft gerät man in Versuchung, das, was man eben schon gezeigt hat, noch in einem Nebensatz zu erklären. Aber das brauchst du nicht! Wenn du gerade beschrieben hast, wie deine Buchfigur rot anläuft, ihre Hände zu Fäusten ballt und die Augen zu dünnen Schlitzen zusammenkneift, ist es überflüssig zu erwähnen, dass sie extrem wütend ist.

Genauso bei Orten: Die Freiheitsstatue ragt majestätisch vor der Stadt, wir sind in New York.

Adjektive und „Böse Verben“

Wir zeigen dir in den folgenden Stichpunkten, wie du am besten mit Adjektiven und Verben umgehst.

Das solltest du bei Adjektiven beachten:

  • Vermeide überflüssige Ergänzungen

Er lächelte freundlich.

Sie verzog angewidert den Mund.

Er flüsterte leise.

Sie runzelte nachdenklich die Stirn.

  • In diesen Fällen trägt das Adjektiv absolut keine Funktion, da bestimmte Gesten, Mienen und Handlungen für sich selbst sprechen und auch ohne das Adjektiv vom Leser problemlos verstanden werden:

Er lächelte.

Sie verzog den Mund.

Er flüsterte.

Sie runzelte die Stirn

  • Wichtig sind Adjektive bei diesen Sätzen nur, wenn die Geste/Miene/Handlung anders gemeint ist, als sie wirkt, so dass das Adjektiv Informationswert hat:

Er lächelte höhnisch.

Flüsterte sie so laut, dass jeder sie hören konnte.

Sie runzelte amüsiert die Stirn.

Und jetzt wirst du mit den „bösen Verben“ vertraut gemacht. Lass die Finger von ihnen!

Spüren, fühlen, hören, sehen, riechen, anfangen, beginnen

Damit du verstehst, was damit gemeint ist, hier ein paar Beispiele:

Sie spürte, wie die Tränen in ihren Augen brannten. – Besser: Tränen brannten in ihren Augen.

Sie sah, wie sich eine große dunkle Gestalt näherte. – Besser: Eine große dunkle Gestalt näherte sich ihr.

Sie roch den köstlichen Braten, noch bevor sie die Küche betrat. – Besser: Der Duft des Bratens hing schon im Flur in der Luft.

Wenn du spazieren gehst und eine hübsche Blumenwiese siehst, denkst du ja auch nicht: „Oh, ich sehe eine hübsche Wiese“, sondern: „Oh, das ist aber hübsch!“ – diese Unmittelbarkeit solltest du auch in deinem Roman anstreben. Das Gleiche gilt bei „anfangen/beginnen“: In der Regel merkst du nicht, dass du anfängst zu zittern oder zu frieren, sondern nur, dass du (bereits) zitterst bzw. frierst. Achte also immer darauf, ob du das Hilfsverb wirklich brauchst.

Wann kann ich dann überhaupt erzählen?

Es ist dein Buch, also kannst du selbst entscheiden, was du „erzählst“. Grundsätzlich nutzen aber viele Autor:innen erzählte Passagen, um etwas schnell zu erklären. Sei es am Anfang einer Geschichte, wo viele Sachen einfach erst eingeführt werden müssen, oder eine schnelle zeitliche Abfolge von Aktionen (z.B. Kampfszenen, eine Routine).

Wenn du dir jetzt Sorgen machst, dass du zu viel erzählst und zu wenig zeigst, können wir dich beruhigen: Es gibt keine festen Regeln fürs Schreiben. Wenn dein Text trotz der längeren Erzählpassagen noch gut fließt und die Leser:innen fesselt, musst du dich nicht gezwungen fühlen, ihn zu ändern!

Egal, ob du eher zum Zeigen oder zum Erzählen neigst – mit etwas Übung wirst du genau den Stil finden, der für dich gut funktioniert. Deine Geschichte soll einfach sprachlich und inhaltlich abwechslungsreich sein, aber trotzdem einen roten Faden verfolgen. Zeig den anderen, dass du ein erfolgreiches Buch schreiben kannst!

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