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Storytelling

Kapitel 2: Es lebe das Narrativ!

Weiter geht’s rund um das Thema Storytelling. Narrativ – was ist das überhaupt? Ein Narrativ ist eine Erzählung mit einer gewissen Absicht dahinter. Diese versucht Einfluss darauf zu nehmen, wie du deine Umwelt wahrnimmst. Es geht weniger um die Erzählung selbst, sondern darum, wie etwas erzählt wird. So kannst du bestimmen, was der Inhalt bei deinen Zuhörer:innen bewirkt.

Storytelling als Methode

Storytelling wird meist als eine Erzählmethode definiert. In welcher explizites, aber vor allem implizites Wissen in Form von Leitmotiven, Symbolen, Metaphern oder anderen Mitteln der Rhetorik weitergeben wird. Ihr Anwendungsgebiet findet diese meist in den digitalen Medien – Hier wird die Story nicht nur durch Zuhören, Lesen oder Anschauen konsumiert, das Publikum wird aktiv in die Umsetzung eingebunden. Der Begriff ‚Storytelling‘ ist eng mit dem des Narrativ verbunden.   

Inwiefern Storytelling und das Narrativ zusammenhängen? Wie zu Beginn schon erklärt, wird durch ein Narrativ versucht, Einfluss auf die Wahrnehmung zu nehmen. Und was eignet sich besser, um die Aufmerksamkeit und Konzentration anderer Menschen zu gewinnen, als eine lebendig erzählte Geschichte anstatt einer rein logisch-sachlichen Darlegung von Fakten? à Somit ist also der beste Weg, eine Erzählung (Storytelling) mit einer gewissen Botschaft (Narrativ) zu verbinden.

Diese Methode hat leider auch eine Kehrseite und wird nicht nur gutwillig genutzt, sie dient z. B. auch zur Verbreitung von Fake News. Narrative sind nicht von der Wahrheit getrieben, sondern von vereinfachten Darstellungen und Emotionen, weshalb es so einfach ist, dafür zu sorgen, dass Menschen dem oft Glauben schenken.

Faktisch fiktiv

Auch in Romanen gibt es die langanhaltende Diskussion, ob die Fiktion in völliger Illusion alles darf, weil sie ja fiktiv ist. Modernes Storytelling muss sich auch im reinen Belletristik-Bereich mit diesen Fragen befassen: Wie faktisch muss Belletristik eigentlich sein? Dar ein Roman alles? 

Besonders häufig findet man diese Diskussion bei historischen Romanen. Wenn ein Roman im Jahr 1780 angesetzt ist, dürfen dann Gerätschaften darin vorkommen, die erst später erfunden wurden? Wie akkurat muss die Sprache die Zeit widerspiegeln? Wenn deine Romanfiguren Begriffe benutzen, die es 1780 noch nicht gab, oder Dinge besitzen, die erst ein paar Jahre später erfunden wurden, werden sich bestimmt nicht alle Leser:innen daran stören. Aber … Je weiter du dich von der Realität der Zeitperiode entfernst, in der dein Roman spielt, desto mehr verliert dein historischer Roman an Authentizität. Und vergiss hier auch deine Zielgruppe nicht: Wenn man sich für Romane interessiert, die in der Frühen Neuzeit spielen, kennt man sich oftmals gut mit der Epoche aus.

In anderen Genres wie Fantasy oder Si-Fi scheint das einfacher zu sein: Du baust eine Welt auf, welche so nicht existiert, und legst somit auch die geltenden Regeln und (Natur-)Gesetze für diese Welt fest. Bedenke aber, dass deine Leser:innen erst mal von dem ausgehen, was sie kennen: der realen Welt. Es ist deine Aufgabe als Autor:in, deine fiktive Welt zu definieren. Für alles, was nicht definiert ist, werden deine Leser:innen automatisch die Realität heranziehen. Wenn du also nicht explizit vorgibst, dass es in deiner Welt keine Schwerkraft gibt, wird man erwarten, dass Dinge fallen, wenn du sie loslässt.  

Um die Wirkung von Narrativen zu verdeutlichen, greifen wir auf ein Beispiel von Terry Pratchett in seiner (satirischen) Fantasy-Reihe von der Scheibenwelt zurück: Die „narrative Kausalität“ ist dort ein Naturgesetz, welches besagt, dass Dinge Wirklichkeit werden, wenn ausreichend Menschen daran glauben bzw. diese verbreiten. In seiner Fantasy-Reihe gibt es daher die Zahnfee, ebenso den personifizierten Tod, den Schneevater (Weihnachtsmann) und Magie. Interessanterweise reden die Gelehrten der Scheibenwelt über unsere echte Welt: Diese muss rund sein, denn es gibt dort keine „narrative Kausalität“, die – wie bei der Scheibenwelt – eine flache Welt zulässt, welche auf dem Rücken von vier Elefanten steht, die wiederum auf einer Schildkröte stehen und hin und wieder ein Bein heben müssen, damit die Sonne vorbei kann …

Wie sieht das mit den Fakten in der Fiktion denn bei zeitgenössischen Romanen aus? Dürfen hier Tiere, die ihren Lebensraum in Südamerika haben, plötzlich in freier Wildbahn in Europa auftauchen? Ist es störend, wenn ein Roman in New York City spielt, der Protagonist aber täglich ohne Staus mit dem Auto durch die Stadt segelt und überall sofort einen Parkplatz findet?

DIE Antwort auf all diese Fragen gibt es nicht. Niemand kann und wird dir verbieten, deine Geschichte so zu erzählen, wie du das möchtest. Im Grunde kannst du deiner Fantasie in vielen Hinsichten freien Lauf lassen – ob es um das Schaffen einer neuen Welt, fiktive Figuren mit besonderen Fähigkeiten oder die Art der Kommunikation geht. Wenn du allerdings ohne Erklärung von dem, was man weiß und kennt, abweichst, sorgst du für Brüche und Pausen, in denen sich die Leser:innen fragen: „Ist das wirklich so? Kann das sein?“ Jedes Mal, wenn das passiert, werde deine Leser:innen jäh aus der Welt, die du für sie erschaffen hast, herausgerissen. Je häufiger das passiert, desto schwieriger wird es für die Leser:innen, sich wieder komplett in deiner Geschichte zu verlieren – und ist das nicht letztendlich das Ziel eines Romans?

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