ZwischenZeilen

Für Autor:innen, Leser:innen und alle die Bücher lieben

Das erste Mal … Regionalroman

Schottland, Rügen, Cornwall oder die Provence – Romane mit einem starken regionalen Bezug sind voll im Trend. Du musst auch nicht ans andere Ende der Welt fliegen, um einen möglichst exotischen Schauplatz für deinen Roman zu finden. Egal ob beim Krimi oder Liebesroman – die eBook-Charts der Shops zeigen deutlich, dass gerade innereuropäische, ruhigere Urlaubsziele äußerst beliebte Settings sind. Auch Deutschland bietet eine Vielzahl von beliebten Schauplätzen für Regionalromane. Liebesromane, die an der Ost- oder Nordsee spielen, bilden mittlerweile schon ein ganz eigenes Subgenre mit einer beachtlichen Leserschaft, und es ist fast unmöglich, nach einem Krimi zu suchen, ohne über mindestens ein Buch aus diesem Genre zu stolpern, das in Bayern spielt.

Doch wie kreierst du als Autor:in dieses einmalige Ambiente eines Ortes? Und ist es unumgänglich, jeden Ort zu bereisen, über den du schreibst?

Ein Island-Roman von Karin Lindberg

Regionalkrimi Sylt

Regionalroman Rügen

Schreibe, was du kennst

Am einfachsten und authentischsten schreibst du immer über eigene Erfahrungen und Erlebnisse. Um ein Gefühl für Land und Leute, für die Kultur und die Eigenheiten einer Gegend zu bekommen, reicht es nicht, Fotos der Landschaft zu googlen und den dazugehörigen Wikipedia-Eintrag zu lesen. Je mehr Sinneseindrücke in das Schaffen einer Erinnerung miteinfließen, desto lebhafter wird deine Romankulisse. Oftmals reicht es dann beim Schreiben, die Augen zu schließen und dich an einen Ort zurückzuversetzen: Was hast du gerochen, während du an einem kühlen Frühlingstag am Ostseestrand standest? Wie hat sich der Sand zwischen deinen Zehen angefühlt? Wie laut waren die Wellen und die kreischenden Möwen?  All diese Eindrücke fließen in deinen Roman ein, auch wenn du nicht jede Kleinigkeit explizit hinschreibst.

Liegt dein Besuch des Ortes, den du als Schauplatz deines Romans verwenden willst, schon eine Weile zurück? Dann lasse deine Erinnerungen vor dem Schreiben wieder lebendig werden. Unterhalte dich mit den Personen, mit denen du dort warst, über eure gemeinsamen Erlebnisse auf eurer Reise. Schaue dir in Ruhe deine Urlaubsfotos an und versuche dich in die Situationen hineinzuversetzen, in denen die Bilder entstanden sind. Trink und iss das, was du an diesem Ort getrunken und gegessen hast, und höre dir die Lieder an, die du mit deiner Reise verbindest. Für das Abrufen von Erinnerungen gilt das Gleiche wie für das Schaffen von Erinnerungen: Aktiviere möglichst viele deiner Sinne!

Recherche, Recherche, Recherche …

Du bist fasziniert von einem Land oder einer Region und willst deinen nächsten Roman unbedingt dort spielen lassen, hattest aber nicht die Möglichkeit oder Gelegenheit, selbst dorthin zu reisen? Keine Sorge, das bedeutet nicht, dass du keinen guten Regionalroman schreiben kannst, sondern nur, dass du ein bisschen mehr Vorarbeit leisten musst.

Dokus und Reportagen sind ein guter erster Schritt, um ein Gefühl für die Gegend, die Menschen und die Kultur zu entwickeln. Schau dir aber auch ein paar Reise-Blogs und -VLogs an – sie geben dir ein besseres Verständnis dafür, wie Besucher:innen, also ein Außenstehende, einen Ort wahrnehmen. Oftmals beschreiben sie Dinge, die Einheimischen gar nicht auffallen oder bewusst sind, und geben dir noch mal eine neue Perspektive. Mach dich vertraut mit typischen Speisen und Getränken der Gegend, höre dir Radio- oder Fernsehsendungen in der Sprache oder dem Dialekt an, google typische Geschäfte und Marken der Gegend. Je besser du mit den alltäglichen Dingen deines Schauplatzes vertraut bist, desto natürlicher wird auch deine Beschreibung. Und zu guter Letzt: Unterhalte dich mit möglichst vielen Leuten, die deine zukünftige Romankulisse bereits besucht haben. Wenn du niemanden in deinem Familien- oder Freundeskreis hast, der dir weiterhelfen kann, hilft oftmals ein Aufruf über die Social-Media-Kanäle. Du kannst das gleich mit einer netten Aktion verbinden und z. B. jedem, der sich die Zeit nimmt, sich mit dir über seine Erfahrungen auszutauschen, ein kostenloses Exemplar deines bevorstehenden Romans versprechen.

Regionalroman ≠ Reiseführer

Nun hast du all das Wissen über deinen Romanschauplatz – ob durch eigene Erfahrung oder Recherche – und willst so viele Eindrücke und Informationen wie möglich mit deinen Leser:innen teilen. Jetzt ist Achtung geboten: Im Vordergrund steht immer noch die Handlung, nicht die Kulisse! Wenn sich Leser:innen dazu entscheiden, einen Schweden-Liebesroman zu kaufen, erwarten sie sich eine Liebesgeschichte, die in Schweden spielt, nicht einen Schweden-Reiseführer mit romantischer Rahmenhandlung.  Seitenlange Landschaftsbeschreibungen und Info-Dumping zu jeder ortsspezifischen Eigenheit können bei deinen Leser:innen schnell zu Langeweile führen. Das bedeutet aber nicht, dass deine Recherchereise oder -arbeit umsonst war!

„Wenn ein Prosaschriftsteller genug davon versteht, worüber er schreibt, so soll er aussparen, was ihm klar ist. Wenn der Schriftsteller nur aufrichtig genug schreibt, wird der Leser das Ausgelassene genauso stark empfinden, als hätte der Autor es zu Papier gebracht. Ein Eisberg bewegt sich darum so anmutig, da sich nur ein Achtel von ihm über Wasser befindet.“

E. Hemingway

Hier kommt das Eisbergmodell zum Einsatz. Diese Metapher von Ernest Hemingway bezieht sich darauf, dass von einem Eisberg im Wasser nur ca. ein Achtel sichtbar ist, während sich der Rest unter der Wasseroberfläche befindet. Genauso muss im Roman nur ein Achtel von dem, was Autor:innen wissen, explizit geschrieben werden. Der Rest deines Wissens und deiner Erfahrung fließt automatisch in deinen Text mit ein, wenn du dich mit der Materie gut genug auskennst. Vielleicht ist dir das beim Schreiben gar nicht bewusst, aber deine Erfahrungen und Erinnerungen färben deinen Roman dennoch stark ein – ob in Dialogen, in Szenen, die den Alltag aufzeigen oder in den Aktionen und Reaktionen deiner Romanfiguren.

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